Thailand ist das Land des Lächelns. Insbesondere im Norden des Landes bestimmt eine typische Gemütlichkeit den Alltag: Alles sollte „sanuk, sabai, suay“ (spaßig, gemütlich, schön) sein. Das ist bewundernswert, vor allem für Menschen, die die Zeit verfliegen sehen, in der sie nicht tätig sind. In einer Welt, in der viele dem Stress kapitulieren und die westliche Gesellschaft angestrengt nach einem Ausgleich sucht (durch asiatische Techniken wie Yoga, Qigong oder Meditation), scheint es, als haben die Menschen in Thailand das in all den Jahren nicht verlernt.
Man kann sich aber auch vorstellen, dass diese Gelassenheit immense Schwierigkeiten birgt, gerade wenn es um geschäftliche Beziehungen geht, in der Liefermengen, Lieferfristen u.v.m. vereinbart werden. Betriebswirtschaftliche Schlagwörter wie Supplier – und Business Development oder Just in Time bekommen hier eine ganz neue Dimension und brauchen vor allem eines – Zeit und Flexibilität.
Eine ganz andere Welt findet man in Nepal. Die Hauptstadt Nepals, Katmandu pulsiert. Zwar ist das Land hinsichtlich Infrastruktur, Produktionstechniken und digitaler Vernetzung noch nicht so weit fortgeschritten wie Thailand, aber hier scheint alles möglich. Hier treffen Tradition, Kultur und Religion auf einen unbeschreiblichen Geschäftssinn, auf einen endlos erscheinenden Willen sich weiterzuentwickeln, Neues zu lernen und neue Geschäftsbeziehungen einzugehen. „Sabei sabei“ ist hierzulande unbekannt. Dabei ist es nicht selbstverständlich, dass gerechte Bedingungen für alle herrschen.
Über ein halbes Jahr ist es nun her, dass wir bei unserem „Urlaub“ ungeplant die ersten Geschäftsbeziehungen aufgebaut und seither stetig weiterentwickelt haben. Die stolzen Nepali haben uns dieses Mal Einblicke in ihre Fabriken, Märkte, Zuliefererstrukturen, aber auch in ihre Familie, ihre Lebensweise und ihre Kultur ermöglicht. Was wir sehen durften, hat uns nicht nur beeindruckt und neugierig gemacht, sondern auch motiviert, die Beziehung zu unseren nepalesischen Partnern weiterzuentwickeln.
Auf teilweise ungeteerten, engen Gassen und entlang meterhoher Kalksteingebäude ging es zu Fuß oder in Fiat Cinquecentoähnlichen Taxen zu den Fertigungsstätten unserer Partner. Mit den ersten (oder auch zweiten) Eindrücken aus Katmandu im Hinterkopf machten wir uns aufs Schlimmste gefasst. Was wird uns hier wohl erwarten? Oder besser, was können wir von unseren Partnern erwarten? Wie sehen die Fabriken aus? Unter welchen Umständen wird hier gearbeitet und wer arbeitet hier? Und … und … und…
Angekommen! Die quietschende Bremse des Taxis riss uns aus unserer Trance.
Zugestanden, der erste, rein optische Eindruck der Nähereien kann nicht mit europäischen Betrieben mithalten, weder äußerlich noch hinsichtlich technischer Standards. Bereits beim Eintreten in die Näherei wurde uns bewusst, dass wir alles, was wir hier kennenlernen werden nicht nach unseren westlichen Standards und Normen, sondern kontextabhängig sehen müssen.
Zunächst beobachteten wir zurückhaltend das rege Tun inmitten von ratternden Nähmaschinen und Menschen, die sich mit großen Augen an uns vorbeidrängten. Wir hatten das Gefühl (was später auch bestätigt wurde), dass nicht viele Hersteller sich die Mühe machen, ihre Produktionsstätten zu besuchen. Wir waren überrascht, wie Männer und Frauen freudig, zielgerichtet und gut organisiert zusammenarbeiten, trotz schwieriger Rahmenbedingungen.
Allerdings haben wir auch andere Beispiele gesehen: Dort haben uns zum Einen die Bedingungen, unter denen Menschen arbeiten, tief erschreckt, zum Anderen auch die mangelnde Kooperationsbereitschaft mancher Firmeninhaber etwas daran zu ändern.
Dies wurde zu einem der wichtigsten Kriterien bei der Wahl unserer Partner – wir werden nur mit Firmen zusammenarbeiten, die bereit sind, mit uns etwas an diesen Rahmenbedingungen zu ändern.
Gemeinsam mit den ausgewählten Partnern, begannen wir unsere neue Kollektion zu planen (ihr könnt gespannt sein! Wir haben mit unterschiedlichsten Materialien wie Kord, Schafwolle und Hanf experimentiert). Wir nutzten die Zeit auch, um neue Kontakte zu Baumwollproduzenten zu knüpfen und uns zu informieren, wo die einzelnen Bestandteile unserer verwendeten Materialien herkommen wie sie behandelt werden. In dieser Zeit und während unserer nächsten Besuche in weiteren Fabriken, hatten wir auch die Möglichkeit, mit den Näherinnen und Nähern zu essen, uns auszutauschen und mehr über die Menschen hinter unseren Produkten zu erfahren.
Bei den abendlichen Essen mit unseren (bisher 3) nepalesischen Partnern diskutierten wir auch, wie wir unsere Textilen nachhaltiger gestalten können (ein Beitrag hierzu folgt in unserem Blog). Es freut uns, wie aufgeschlossen, neugierig und kooperationsbereit unsere Partner sind, Veränderungen gemeinsam anzustoßen.
Kontextabhängige Nachhaltigkeit heißt für uns sich auf Werte, Normen und örtliche Gegebenheiten einzulassen und gleichzeitig menschenwürdige und umweltverträgliche Arbeitsverhältnisse und Produktionsweisen zu fördern. Gemeinsam wollen wir etwas bewirken.
Daheim angekommen gilt es nun, diese Werte und Standards festzuhalten und mit Inhalt und Taten zu füllen …